Klar, freundlich und doch bestimmt wirkt der prüfende Blick auf dem Bucheinband. Zielorientiert lenkt er das Interesse auf Türkan Saylan, die durch ihre Basisarbeit als Ärztin, Feministin, Bürgerrechtlerin nicht nur in ihrer türkischen Heimat Aufmerksamkeit und Anerkennung erhielt.
Denn immer ist Hoffnung, unter diesem Titel fasst die Theaterwissenschaftlerin und Kinderbuchautorin Zehra İpşiroğlu die zahlreichen Interviews zusammen, die sie mit ihrer Freundin über Jahre hinweg geführt hat. Wir erfahren nicht nur den Lebenslauf von Türkan Saylan, sondern vor allem werden die vielfältigen Engagements sichtbar: ihre unermüdliche Arbeit mit Frauen aller Schichten, flächendeckend, in Dörfern oder auch in Universitäten. Jenseits von provozierender, oft islamisch geprägter Männerdominanz rückt sie eine andere Seite der Türkei in den Fokus.
Drei Hauptüberschriften (Über positive Energien, Kreativität und Weisheit – Die Macht der Traditionen und die Stärke der Frau – Die Zukunft gestalten) beziehen sich hauptsächlich auf die Arbeit der von Türkan Saylan 1985 gegründeten »Gesellschaft zur Förderung des modernen Lebens« (Ҫağdaş Yaşamı Destekleme Derneği/CYDD). Unter dem Motto „Frauen für Frauen“ lag der Arbeitsschwerpunkt zwei Dekaden lang auf der Unterstützung und Förderung von Mädchen und Frauen, vor allem in abgelegenen ärmeren Regionen und unteren Schichten Ostanatoliens. Straßenkinder, Opfer von Ehrenmorden, Kranke, Behinderte und Prostituierte erhielten Alphabetisierungskurse; Berufsausbildung und Familienplanung waren zentrale Themen – auch Leprafrauen wurden von ihr behandelt.
Es ging Türkan Saylan vor allem um die Emanzipation in den Köpfen: Ausbau von Frauen- und Kinderrechten, Kampf gegen Einsperrung der Frauen, Befreiung von emanzipationsfeindlichen, traditionellen, religiösen, feudal-nationalistischen und militaristischen Mustern im Alltag. Strikt lehnte sie die Vereinnahmung der Religion durch die Politik ab. Neben ihrer fachlichen Kompetenz, ihrem großen Organisationstalent kam Türkan Saylan vor allem ihr von Empathie für die Betroffenen geprägtes Handeln sowie ihre gleich bleibend bescheidene und freundliche Art zugute.
Es überrascht nicht, dass ihre Arbeit vielerlei Beachtung fand. In die umfassende Bewunderung mischten sich jedoch lautstark auch kritische Stimmen ein. Die geförderten Kinder würden ihrer eigenen Heimat entfremdet, war einer der Vorwürfe. Besonders perfide und menschenverachtend waren die Schikanen seitens des staatlichen Polizeiapparats, die Türkan Saylan 2009 selbst kurz vor ihrem Krebstod noch über sich ergehen lassen musste.
Aktive Menschenfreundlichkeit ist mehr wert als alle Ideologien, Türkan Saylans Lebensleistung legt dazu ein klares Zeugnis ab. Leider ist dem Buch nicht zu entnehmen, ob und wie ihre Arbeit nach ihrem Tod fortgesetzt wurde – sinnvoll und nützlich wäre sie sicherlich auch weiterhin.
„Selbst wenn an Deinen Hügeln Wolken hängen, habe keinen Zweifel an der Bläue des Himmels“, das dem Buch vorangestellte indische Sprichwort fasst nicht nur Türkan Saylans entschlossenes Leben und ihre Lebensleistung treffend zusammen. Uns kann es darüber hinaus helfen, an der weiter provozierend zündelnden Regierungspolitik der Türkei nicht zu verzweifeln, sondern auch hierbei auf Hoffnung zu setzen.