Bildung gegen Femizide

Dieser Artikel wurde von Sena Doğan verfasst und erstmals am 20. November 2020 auf WEIBERDIWAN veröffentlicht. Gehe zur Quelle.

Gespräche zwischen zwei Türkinnen, geführt im Jahr 2005, gerade einmal zwei Jahre nach dem Wahlerfolg der Islamisten unter Erdoğan 2003. Auf den ersten Blick nicht gerade umwerfend! Äußerst spannend lesen sich jedoch die Ausführungen über Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit staatlichen Strukturen, feministische Interventionen in der Türkei, Strategien zur Verhinderung von Ehrenmorden und das Verhältnis zum kemalistischen Erbe. Emanzipatorischer Bildung und Säkularität wird dabei ein wesentlicher Stellenwert eingeräumt.

Tükan Saylan (1935 – 2009) studierte Medizin, Fachbereich Dermatologie in Istanbul. Nach Studienaufenthalten in Frankreich und England spezialisierte sie sich – mittlerweile bereits Professorin – auf Lepra. Entsetzt über die Lebensbedingungen der Leprakranken in der Türkei (sie wurden vor allem versteckt) gründete sie in den 1970er Jahren eine NGO zur Unterstützung von Leprakranken und wurde Chef­ärztin des Leprakrankenhauses in Istanbul. Sie wirkte bei der Einrichtung von Polykliniken für ansteckende Haut- und Geschlechtskrankheiten mit, organisierte Aufklärungskampagnen für Frauen und gründete Ende der 1990er Jahre den „Verein zur Förderung zeitgemäßer Lebensweise“. Hinter diesem Namen versteckt sich eine aktive NGO, die v.a. Frauen und Mädchen dabei unterstützt, Ausbildungen zu machen, um ein selbstbestimmte(re)s Leben zu führen. An die 100.000 Stipendiatinnen!! Da ist es nicht verwunderlich, wenn es staatsanwaltliche Ermittlungen gibt… Mitreißend ist die Analyse und Reflexion konkreter und persönlicher Erfahrungen unter sich ändernden politischen Bedingungen. Eine lesenswerte Zeitgeschichte der Türkei aus feministischer Perspektive! Ein Dankeschön an Zehra İpşiroğlu, die die Gespräche aufbe­reitet hat.

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